Architekturfotografie

Eine spannende Reise in die Architekturfotografie beginnt für mich persönlich im Jahr 2018, als ich das erste Mal allein nach Istanbul reiste. Auf meiner “must see” Liste stand selbstverständlich das damalige Museum Hagia Sophia. An einem warmen Frühlingstag habe ich mich sage und schreibe mehr als acht Stunden im Weltkulturdenkmal aufgehalten. Es hat mich einfach sehr gereizt, unterschiedliche Aufnahmen zu machen, zu experimentieren, den Raum zu erfassen, die Details noch und noch einmal zu fotografieren, verschiedene Perspektiven einzunehmen und die Menschen beim Bestaunen der Kuppel zu beobachten.  

Die Chronologie des Bauwerks sowie einige Eindrücke kannst du hier nachlesen. 

Erfahre hier mehr über die Hagia Sophia | Ayasofya Kebir-i Şerif

Was wusste ich bis dato über die Architekturfotografie?

Dass die Architekturfotografie ein Zusammenspiel von visueller Wahrnehmung des Raumes und fotografischer Raumdarstellung ist, ist mir schlüssig, und dass die Architekturfotografie mit Genres wie der Produktfotografie, der Industriefotografie und der Landschaftsfotografie eng verwandt ist, kann ich ebenfalls nachvollziehen. Erstaunt war ich, als ich eine der ersten entwickelten und erhaltenen Fotografien der Welt gesehen habe. Das als Heliographie bekannte Foto wurde vor fast zweihundert Jahren mit der Kamera von Joseph Nicéphore Niépce in Frankreich aufgenommen. Das Foto zeigt den Blick aus seinem Arbeitszimmer in Le Gras. Linksseitig auf dem Foto sind zunächst Rahmen eines Fensterflügels, ein Taubenhaus des Gutshofes, ein weit und kaum als solches erkennbarer Baum, ein kleines Gebäude mit Pultdach und letztlich ein Turm förmigen Kamin, vermutlich vom Gemeindebackhaus zu sehen. Das Werk ist seit dem Jahr 1963 in Austin im Harry Ransom Humanities Research Center der Universität von Texas ausgestellt.

Somit ist die Architekturfotografie als Genre so alt wie die Fotografie selbst und gleichzeitig ist es auch eines der wichtigsten Bestandteile einer fotografischen Ausbildung.

In meinem Archiv schaue ich hin und wieder rein. Ich stelle dabei immer wieder fest, dass mir zwar nicht alle Fotografien auf Anhieb gefallen, nach einiger Zeit jedoch ändere ich meine anfängliche Meinung. Es ist nicht nur der Stil, den ein Fotograf für sich entdecken und im Laufe der Praxis weiterentwickeln kann, es hat auch sehr viel mit Mut zu tun. Mut zur Kreativität, Mut für neue Experimente, Mut, mit vollem Körpereinsatz dabei zu sein. 

„First you take the photograph, then you create it. The act of creating should have no limits.“ 

Joel Tjintjelaar 

Das Zitat vom berühmten Fotografen Joel Tjintjelaar trifft auf den Punkt, was digitale Fotografie heute bedeutet.  

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Blick aus dem Arbeitszimmer

Eine kleine Auswahl an Architekturfotografien aus meiner Sammlung:

  • ein klassisches Look-Up Foto des Upper West Gebäudes am Ku´damm in Berlin
  • Blick auf die Blaue Moschee in Istanbul von der Hagia Sophia aus, linksseitig ist ein Teil des Hürrem Sultan Hamams zu sehen
  • Blick auf den Hof von einem der Fenster aus fotografiert, welche sich oberhalb der Hagia Sophia befindet
  • Eingang in das Deutsche Historische Museum auf der Museumsinsel in Berlin
  • ein Look-Up Foto des Upper West Gebäudes mit Laterne
  • “Neu trifft Alt” mit Blick auf das rote Rathaus, linksseitig das Pei Gebäude, rechtsseitig das Zeughaus
  • das Pei Gebäude 
  • die Süleymaniye Moschee, welche vom Topkapi Palast aus fotografiert wurde
  • Look-Up Foto Wolkenhain auf dem Kienberg in Berlin Marzahn
  • Berlin Classics: der Fernsehturm. Es spielt keine Rolle, weder innerhalb oder außerhalb, egal, wo du dich in Berlin befindest, du siehst den Fernsehturm fast immer!
  • Look-Up Foto The Cupe am Hauptbahnhof in Berlin. 

Profiles

Zaha Hadid - Ein unverwechselbarer Stil

Die oft als “Königin der Kurven” bezeichnete Zaha Hadid war eine der meist bewunderten und außergewöhnlichsten Architekten ihrer Zeit.  Forbes wählte sie sogar in die Liste der 100  mächtigsten Frauen der Welt. Ihre gewagten und unkonventionellen Bauten bewegen sich auf der Grenze zwischen Fantasie und Realität und verändern unser Verständnis davon, was Architektur leisten kann. 

Sie hat einige der weltweit höchsten Auszeichnungen im Bereich der Architektur erhalten, darunter den Pritzker-Preis (der Pritzker Architekturpreis ist die renommierteste, internationale Auszeichnung für einen Architekten, eine Architektin oder ein Architekturbüro). Warum sind die Gebäude von Zaha Hadid so außergewöhnlich? Was beeinflusst  ihren unverwechselbaren Stil? Stimmt es, dass sie vom abstrakten Gemälde von dem Maler  Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch“Schwarzen Quadrats” inspiriert wurde?  

Zaha Hadid wurde 1950 in Bagdad, Irak, geboren. Ihr Vater war ein wohlhabender Industrieller und ihre Mutter war eine Künstlerin. Nach dem Bachelor-Abschluss in Mathematik an der amerikanischen Universität in Beirut, Libanon, zog sie 1972 nach London, um an der Architectural Association School of Architecture zu studieren.

Hadids Arbeiten beschäftigten sich zunächst mit der russischen Avantgardebewegung, insbesondere mit Kasimir Malewitsch und Wladimir Tatlin. Deren Arbeiten inspirierten sie dazu, die Malerei als Gestaltungsmittel einzusetzen und sich von den  

Konventionen der Architekturzeichnung zu befreien, die sie als einschränkend empfand. 

Es gab keine Grenzen für Hadid zwischen Architektur, Kunst und Design. Sie griff das Werk von  Malewitsch auf eine neue, dynamische Weise auf und übersetzte seine geometrisch-abstrakte Kunst in konkrete Gebäude.

In den frühen 1980er Jahren führte Hadid die Architekturwelt in diesen neuen Stil ein  

durch ihre radikalen und experimentellen Entwürfe, die sich durch Abstraktion, Fragmentierung  und Bewegung. Obwohl sie in vielen Architekturzeitschriften veröffentlicht wurde,  wurden diese frühen Ambitionen nie verwirklicht. Einer dieser Entwürfe war der Plan für “The Peak”, ein Freizeitzentrum in Hongkong. 

Ein “horizontaler Wolkenkratzer”, der aus verschiedenen Schichten Scherben artiger Platten  

schien in einer Diagonale den Hang hinunter zu schweben. Obwohl das Projekt unvollendet blieb, stellte es einen bedeutenden Durchbruch in Hadids Karriere dar und brachte ihr internationale Anerkennung ein.

Neben Malewitsch und Tatlin weist Zaha Hadids Formensprache ein starkes  

Element der islamischen Kalligrafie, die sie in ihrer Kindheit im Irak kennenlernte.  

Durch die freie Kalligraphie erforschte sie die Ideen der Schwerelosigkeit und des Fließens, 

die später in ihren Gebäuden durch kühne Kurven und fließende arabeske Formen Gestalt annahmen.

Obwohl sie 1980 ihr Architekturbüro -Zaha Hadid Architects- gründete,  

wurde Hadids erstes Projekt erst 1993 realisiert. Es war die Vitra Feuerwache in  

Weil-am-Rhein, in Süd-Deutschland. Endlich konnte die Welt sehen, wie ihre Fantasie zum Leben erweckt wurde  -in einem realen Bauwerk. Die Besucher können die Überlagerung von messerscharfen geometrischen Flächen sehen,  

Fragmentierung, dynamische Bewegungs Strömen und Mehrperspektivität.

Später wurde ihr Werk geschwungener, fließender und skulpturaler, aber die Grundlagen ihres Stiles, der in Vitra Feuerwache zum Ausdruck kommt, blieb jedoch erhalten. Sie verzerrte weiterhin Form, Raum und Perspektive, spielte mit fragmentierenden und sich durchdringenden Formen und erforschte die Bewegung in der Architektur, wobei sie ihrer Kreativität freien Lauf ließ.

Bei Hadid ging es immer um Innovation und das Überschreiten von Grenzen. In einem ihrer frühen Interviews sagte Zaha Hadid: “Ich habe fast geglaubt, es gäbe so etwas wie Schwerelosigkeit.”  

Jetzt kann ich glauben, dass Gebäude schweben können. Das digitale Zeitalter ermöglichte es ihr, architektonische Entwürfe zu schaffen, die schweben, gleiten und sich bewegen. 

Hadid war eine der ersten, die einen vollständig digitalisierten 3D-Entwurfsprozess anwandte,  was ihr half, ihre Experimente rund um Dynamik und Fließverhalten zu intensivieren. Hadid wurde im Laufe ihrer Karriere oft kritisiert, vor allem wegen ihres mangelnden Interesses  an der Optimierung von Raum und Funktionalität. Dennoch weigerte sie sich, ihre Kreativität zu zügeln. 

Sie schuf weiterhin extravagante Gebäude, die die Möglichkeiten der Architektur radikal erweiterten.  Ihr letztes Werk vor ihrem Tod im Jahr 2016 war das Port House in Antwerpen, Belgien. Kühn, äußerst kreativ und überlebensgroß entwickelte Zaha Hadid Formen in der Architektur, von denen niemand dachte, dass sie machbar wären. 

Durch ihr außergewöhnliches Werk hat sie den Horizont, was in der Architektur möglich ist, erweitert und neue architektonische Denkweisen und Prozesse inspiriert.  

Trotz ihres Todes lebt Zaha Hadids Vision durch ihr Unternehmen, Zaha Hadid Architects, weiter,  

Damit ist sichergestellt, dass auch künftige Generationen ihre künstlerische Vision noch viele Jahre lang genießen können.

Leyla Dirim, Januar 2023